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„Oft tut auch der unrecht, der nichts tut, nicht bloß, der etwas tut.“
                                                                                               Marcus Aurelius, röm. Kaiser


EINSPRUCH  !

Gegen:                  DER SPIEGEL 23/2010 (vom 7.6.2010)

Die Würde der Fürchterlichsten Artikel unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-70833868.html

Von Ferdinand von Schirach

Ferdinand von Schirach über die Menschenrechtsklage des Kindermörders Magnus Gäfgen



Einer der Titanen des Feuilletons, Ferdinand von Schirrach, beklagt sich hier über den Umgang mit Wolfgang Daschner, dem leitenden Ermittler im Gäfgen-Fall. „Der Polizist, der sich für die Folter entscheidet, muss hart bestraft werden. Keine Verwarnung mit Strafvorbehalt wie bei Daschner, sondern eine mehrjährige Gefängnisstrafe, Entlassung aus dem Dienst, Streichung der Pension.“  Folterandrohung ist gleich Folter. Eine Abstufung des recht weiten Begriffes Folter macht Herr von Schirach nicht.


Gäfgen hatte 2002 den 11-jährigen Jakob von Metzler, ein Bankierskind, grausam ermordet und versucht  mit der Vortäuschung dessen Entführung 1 Million Euro zu erpressen. Beim Einstecken der Lösegeldforderung wure er zweifesfrei als Täter durch die Kameraüberwachung dokumentiert. Der verantwortliche Ermittler in diesem Fall Wolfgang Daschner hatte nach Inhaftierung des Täters, die berechtigte Hoffnung das Kind noch lebend aufzufinden und entschloß sich deshalb unter dem bestehenden Zeitdruck dazu, dem überführten Täter „erhebliche Schmerzen“ anzudrohen zu lassen. Die Meisten erinnern sich noch an das Ende: Gäfgen gestand den Mord, Daschner vermerkte sein Tun in der Akte und trat so die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen sich selbst los.

Damit wurde einer der großen Medienhypes des letzten Jahrzehnts angestoßen. Trotz von einem großen Teil der Bevölkerung klar formulierter moralischer Unterstützung für den Kommisar, wurde dieser vor Gericht gestellt, verurteilt und kam nur Dank mehrer mildernder Umstände ohne Haftstrafe davon (10800 € Geldstrafe + Verwarnung + 1 Jahr Bewährung). Erst 2005 wurde das außerdem noch gegen ihn laufende Disziplinarverfahren eingestellt.  2008 hatte Wolfgang Daschner das gesetzliche Rentenalter erreicht und beendete seinen Dienst als Leiter Präsidiums für Technik, Logistik und Verwaltung der hessischen Polizei.

Im Folgenden wurde vorm Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Frage diskutiert, ob das gesprochen Recht ausreichend abschreckend wirkt , um Wiederholungen zu verhindern. In erster Instanz wurde festgestellt, daß die Folterdrohung gegen ihn nicht Folter, sondern „nur“ eine unmenschliche Behandlung war, die allerdings gegen daß Folterverbot verstieß. Jedoch sei Gäfgen durch deren Bestätigung bereits ausreichend Genugtuung getan worden.

Die letzte Instanz auf diesem Weg, die Große Kammer des EGMR, entschied jedoch schließlich: die ausgesprochenen Strafen gegen Daschner und seinen Kollegen hätten nicht die notwendige abschreckende Wirkung, um weitere Verstöße gegen das Verbot von Misshandlungen in Zukunft in schwierigen Situationen zu verhindern. Gäfgen sei Unrecht getan worden.

Ferdinand von Schirach weiß also die ganz große Rechtssprechung hinter sich.


Es ist kein Zweifel daran zu lassen, daß Daschners Verhalten ein Rechtsbruch, einen Tabubruch, einen Vertrauensbruch in unseren Rechtsstaat darstellt.  Es ist einfach undenkbar sich einen Gesetzestext vorzustellen, der Ausnahmen formuliert, in denen Folter, oder deren Androhung erlaubt werden könnte.  Aber wir sind mit einer fast undenkbaren Situation konfrontiert, in der wir „die Würde des Fürchterlichsten“, mit der eines unschuldigen Kindes abwägen müssen, ja eigentlich froh sein sollten, daß wir diese Wahl haben. Denn wir haben es in der Hand abzuwägen, wessen Recht höher zu bewerten ist, denn in der Regel ist das Opfer ja bereits tot. Das Leben eines Kindes ist gegen die die Menschenwürde eines überführten Mörders abwägen.

Nicht einfach vorzustellen, daß damit jemand ein Problem hat !

Daschner hat das einzig Richtige getan. Er hat bewußt gegen Gesetz und seine gute Erziehung verstoßen, weil es ihm nicht um verquaste politisch-philosophische Betrachtungen ging, sondern ausschließlich um das Leben des Kindes. Den von ihm verursachten seelischen (einen körperlichen gab es nicht und hätte es auch nicht gegeben) Schaden am Täter nahm er mit allen Konsequenzen in Kauf, in der Hoffnung das Leben des Kindes retten zu können.  Er wollte sich nicht hinter dem Gesetz verstecken und sich so zum Mordgehilfen machen. Daschner konnte mitnichten auf Strafbefreiung hoffen, im Gegenteil: daß wütende, moralisierende Gutmenschen ihm eine nachträgliche, strafminderne Abwägung versagen würden – damit hat er, wie wir sehen, zu Recht rechnen müssen.  Das ist Mut und Zivilcourage par exellence !

Es gibt keinen Anlaß eine wirkungsvolle Abschreckung vor einem solchen Verhalten zu fordern, wie sie der EGMR und Herr von Schiirach nahelegen !

Zu Fordern ist nur, daß jeder einzelne Fall vor Gericht gebracht und hinsichtlich aller Umstände und ausführlich und höchst kritisch aufgearbeitet wird und auch alle mildernden Umstände gewürdigt werden. Nur eines ist zu fordern und sicherzustellen: Abschreckung vor jeglichem Mißbrauch !  

In diesem Fall hätte schon der Wegfall einer einzigen Komponente, z.B. der Zeitnot, gereicht um einen Sturm der Ablehnung in der Bevölkerung hervorzurufen und zu Recht eine schwere, abschreckende Strafe auszusprechen.


In Vielerlei hinsicht ähnelt  dieser Fall der ähnlich intensiv-kontrovers Diskussion um die Frage, ob man entführte Flugzeuge im besonderen Fall, wenn die akute Gefahr bestünde, daß sie wie bei 9/11 als Massenvernichtungswaffe mißbraucht werden könnten, abschießen darf.

Auch hier versteckten sich unsere Politiker hinter moralisierender Gutmenschen-Prinzipienreiterei.

Das in beiden Fällen Menschenleben grundsätzlich, ohne Rücksicht auf die besonderen Umstände der jeweiligen Situation, einem Prinzip geopfert werden sollen, leuchtet jedoch nicht ein.

Am Ende haben sich alle richtig verhalten und trotzdem haben wir Zig-tausend Tote, weil ein voll besetztes und vollgetanktes Flugzeug in ein vollbesetztes Stadion gestürzt wurde ?

Der Gesetzgeber muß den Verantwortlichen den Spielraum geben das zu tun, was sich langfristig als die bessere, richtigere, mehr Menschenleben rettendere Entscheidung herausstellen soll.

Eine endgültige, gesetzlich festgelegte Einengung, wie sie jetzt schon beim Thema Flugzeugentführung, die die entscheidenden Handlungsoptionen beschneidet und den eigentlich Verantwortlichen die Möglichkeit gibt, todbringende Untätigkeit hinter dem Gesetz zu verstecken, ist einer vernünftigen, verantwortungsvollen und humanen Gesellschaft unwürdig. Nicht wir maßen uns dabei an, Menschenleben gegeneinander aufzurechnen, sondern das Leben stellt uns vor diese grausame Wahl und wir sollten dankbar sein, das kleinere Übel wählen zu dürfen.

Derartige Entscheidungen zu treffen ist schwer genug. Das Wissen, daß jeder Atemzug, der zu ihnen führt, im Nachinein von Herrscharen, ja Generationen von Juristen, Politikern, Philosophen und Historikern nicht nur diskutiert werden wird, sondern auch persönlich schwerste juristische Konsequenzen hat, reicht als Abschreckung völlig aus.

  

Denn jede Entscheidung, die Schaden und Tod an Menschen verursacht, wird vor einem strengen Gericht verhandelt, welches dann jedoch Zeit hat im Nachhinein, mit kühlem Kopf alle Faktoren gegeneinander aufzuwiegen. Daschner hat sich für das Leben des Kindes entschieden, hat für dieses seine berufliche Zukunft auf Spiel gesetzt und verloren und eine in unserem Land bislang einmalige Entscheidung getroffen. Natürlich ist zu hoffen, daß diese einmalig bleibt. Jedoch nicht, weil beim nächsten Mal der Mörder als Letzter lachen soll, sondern weil sich potentielle Täter nicht endgültig sicher sein können, mit wieviel Einsatz- und persönlicher Opferbereitschaft die Ermittler sich ihnen in den Weg stellen.

Darauf verlassen, daß sich eine solche Konstellation nicht wiederholt, oder daß es wieder nicht unser eigenes Kind betrifft, wie es möglicherweise Herr von Schirrach macht, können wir uns nicht. Aber wir können Menschen ermutigen und ihnen die Möglichkeit geben im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und Vertrauen in jene zu haben, die ihr Tun im Nachinein bewerten.


Wer hier immer noch nicht folgen kann, dem sei ein Blick in Richtung Notwehrrecht empfohlen. Es ist theoretisch sogar denkbar straffrei einen Menschen zu töten – der letzte und höchste Tabubruch, der möglich ist. Auch hier gilt: es ist undenkbar ein solches Recht, derartige Ausnahmesituationen gesetzlich auszuformulieren. Aber ein Gericht hat eben die Möglichkeit entsprechende mildernde Umstände anzuerkennen. Das ist schon lange so und es hat nicht den Anschein, daß diese Rechtslage zu einem spürbaren, schon gar nicht massenhaften Mißbrauch geführt hat.

Der damals geäußerte Gedanke, daß das Daschner-Urteil zu einer Aufweichung des Folterverbotes führen würde, wird durch fehlende ähnliche Fälle in der bereits verstrichenen Folgezeit widerlegt.

Die Große Strafkammer des Frankfurter Landgerichtes hat also offensichtlich eine vernünftige Abwägung getroffen, die die richtigen Zeichen gesetzt hat.


Nach der bekannten Faktenlage ist der Artikel eine moralische Fehlleistung, für die es leider keine mildernden Umstände gibt.

Urteile, wie das der Großen Kammer des EGMR  muß man hinnehmen. Als Anlaß für moralische Selbstüberhöhung eigenen sie sich jedoch nicht.  Im Gegensatz zu Herrn Daschner hat der Autor damit nicht Lebensrettung betreiben müssen und genug Zeit gehabt , sich mit allen Begleitumständen auseinanderzusetzen. Und im Gegensatz zu Daschner ist er um das Wissen des Ausganges der Geschichte reicher. Acht Jahre nach der Tat, aus ruhiger Abwägung heraus, ein solches Pamphlet zu schreiben, ist nicht entschuldbar.


Der weiterhin ernsthaft geäusserte Vorwurf an den Verteidiger, dieser hätte bewußt die Chance vertan Gäfgen freisprechen zu lassen, Gäfgen hätte freigesprochen werden sollen, ist jedoch nur noch gruselig. Das Recht und Gerechtigkeit  häufig nicht das Gleiche sind, ist bekannt, aber sie völlig vom eigenen Gerechtigkeitsempfinden abzukoppeln ? Oder ist dies tatsächlich das persönliche Gerechtigkeitsempfinden eines Herrn Daschners ? Kindermörder freizulassen ?


Dies sind also die Menschen, die uns wöchentlich die Welt erklären, die uns Vorhaltungen in Moral und Politischer Korrektheit machen, die entscheiden, wer auf das mediale Schaffott gezerrt wird, bzw. wem seine Untaten bald wieder vergeben werden ? Darüber ist kein Wort mehr zu verlieren.


Es drängt sich nur die Frage auf, was Ferdinand von Schirrach treibt, diesen Fall, der bei aller Schwierigkeit letztendlich zu weitestgehender Zufriedenheit abgeschlossen wurde, wieder auszugraben und sich selbst derart öffentlich zu demontieren.  


 

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