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.


            Riga Hauptstadt von Lettland    26.9. - 30.9.2012


Auf der Suche nach neuen Reisezielen und Eindrücken kamen meine Familie (inzwischen sind alle über 18) und ich darauf ein verlängertes Wochenende in Riga zu verbringen. Die einfließenden Motive waren unterschiedlich und recht komplex. Was mich betrifft, so freute ich mich darauf eine ehemalige Sowjetrepublik zu besuchen, da ich es trotz meiner Ossi-Biografie und reger Reisetätigkeit (Rumänien, Bulgarien, CSSR, Polen, Ungarn) noch nicht bis in die Grenzen des (ehem.) Sowjetreiches geschafft hatte. Und um die Botschaft gleich klarzustellen: Riga ist allemal eine Reise wert.


Verschiedene Billig-Airlines fliegen Riga an. Aber: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben"

– wir bekamen nur noch Plätze bei der lettischen Airline AIRBALTIC. Buchung von Flug und

Hotel liefen allerdings so unkompliziert, wie für ein Wochenendtrip Berlin-Köln. Lettland gehört

zum Schengenraum, damit genügt ein Personalausweis für die Reise. Erstaunt stellten wir im

Hinflieger sitzend fest, daß niemand unsere Ausweispapiere geprüft hatte. Das machte das

Personal auf dem Rückflug mit mehrmaligen ID-Kontrollen aber wieder wett.  

Die Stadt fühlt sich nur im ersten Moment groß an. Einmal unterwegs erwandert man sich das

übersichtliche Terrain mit Hilfe des kostenlosen Stadtplanes (vom Hotel mitgegeben) schnell.

Über historische Gebäude etc. informiere man sich am Besten in den einschlägigen Reiseführern

und das besser schon vor Reiseantritt. Eine kleine Tour mit der Touri-Bimmelbahn durchs

Zentrum vermittelt innerhalb 1,5 h mit Hilfe eines deutschen Audioführers einen kleinen Überblick

(Abfahrt vorm Riga-Dom). Die Gaststätten und Kneipenkultur birgt allerdings die eine oder andere

Überraschung. Z.B. die, daß das Preis-/ Leistungsverhältnis dem von zu Hause identisch ist.

Hier ist man schon in Europa angekommen. Nur in Einzelfällen bemerkt man, daß der Blick für die

 Feinheiten hier und da noch nicht so ganz da ist (z.B. Pizzaboden mit Ketchup bestreichen), was

dann aber mit dem (niedrigen) Preis korreliert. Trotzdem ist der Wille respektable Leistung zu

zeigen unübersehbar – auch bei den preiswerteren Angeboten. Teurere Restaurants trumpfen

verläßlich mit adäquater Leistung auf. So hatte ich am letzten Abend im Ribs&Rock ein

unfassbar gutes Hüftsteak auf  dem Teller, wie ich es mir, selbst beim besten Willen, nicht selbst

hätte besser machen können.

Interieur und Ausstattung von Restaurants, Cafes und Pubs sind immer gewitzt perfektioniert,

häufig mit eigener, liebevoller Handarbeit. Wer Ideen für neue Gastronomie in Deutschland sucht,

dem sei Riga wärmstens empfohlen. Bestimmte Gedanken werden einfach konsequent zu Ende

gedacht, z.B. wenn in einem Pub 7 (in Worten: Sieben !)  Flach-TV hängen, die jeweils einen anderen Sky-Sportchannel zeigen, und außerdem noch in einer Ecke eine Band spielt. Da ist dann garantiert für jeden was dabei, auch wenn es natürlich auch einfach zu viel ist. Wenn man dann noch im QueensPub einen kabellosen 4-Funktionen-Bestellknopf auf dem Tisch hat, fühlt man sich schon fast wie auf der Standspur überholt.

In einem Reiseführer wurde von einer besonders hohen Zahl heimischer Biersorten geschwärmt. In den Restaurants beginnt sich allerdings auch die aus Deutschland bekannte Bier-Monokultur durchzusetzen. Cesu, Piebalga, Aldaris, Bauskas Alus (dunkel), Aldaris Kviesu (Weizen) scheinen sich weistestgehend durchgesetzt zu haben.

Fast überall gibt es sinnvollerweise Unisex-Toiletten, was zwar ungewohnt, jedoch nicht unangenehm ist. Hier trifft Gender auf Funktion – also ausnahmsweise mal den Daumen hoch fürs Gendern.

Das Angebot für Einkäufe (z.B. Kleidung) unterscheidet sich im Markensektor kaum von dem deutscher Großstädte. Eine maximierte Ansammlung von Markengeschäften findet man im Galerija Centrs. Allerdings kann man am Rand der Altstadt in den Markthallen, wenn man bereit ist qualitative Abstriche hinzunehmen, sehr billig einen gewissen Grundbedarf abdecken. Diese Hallen in Nähe des Bahnhofes bieten dabei wahrscheinlich ein ehrliches Bild vom aktuellen Lettland, wobei es durchaus etwas unsauberer aussieht als z.B. auf dem grenznahen Markt in Swinemünde (PL).

Viel netter und feiner geht es da beim Michelmarkt zur Herbstsonnenwende auf dem Platz am Dom zu. Gleichzeitig findet hier auch das Mohrrübenfestival statt. Wie alles, was innerhalb der Grenzen der Altstadt passiert, ist es fremd und interessant, zugleich entspricht es jedoch westeuropäischen Ansprüchen.  


Für einen Touri macht es bei einem so kurzen Aufenthalt nur wenig Sinn sich weit aus der Altstadt hinaus zu wagen. Ein interessanter Grund dazu ist jedoch der Rigaer Fernsehturm auf der Haseninsel, mitten im Fluß gelegen. Dafür sollte man sich ein Taxi nehmen. Unser Fahrer war auch gern bereit auf uns zu warten, was uns sehr entgegen kam.  Außer dem Fernsehturm (1986 gebaut, 386m hoch) und einer minimalistischen, offensichtlich noch aus der Sowjetzeit stammenden Bebauung an seinem Fuß, scheint die Insel weitestgehend naturbelassen. Neben einem kleinen Flohmarkt im Grünen und wenigen Spaziergängern und noch weniger Turmbesuchern war hier nichts los.  Der von einer französischen Firma in einen der drei schrägen Pfosten eingebaute Fahrstuhl fährt leider nicht ganz bis oben, sondern hält auf der unteren Ebene in 97m Höhe. Auf der dreieckigen geschlossenen Plattform gibt es viel Platz (z.B. für ein Restaurant, das hoffentlich bald wieder von einen neuen Investor eingerichtet wird), in unserem Fall kaum Besucher und sogar eine Toilette. Durch die hohen Fenster hat man, insbesondere bei Sonnenschein und klarer Sicht, einen wundervollen Blick auf die Stadt. Auf der gegenüberliegenden Seite verliert sich der Blick über den unendlichen Weiten lettischer Wälder.


Bei den Recherchen vor unserer Abreise  fiel auf, daß auf den meisten Riga-Fotos der Himmel Wolken verhangen und die Bilder entsprechend grau wirkten, wenn sie nicht sogar verregnet waren. Das entsprach dann tatsächlich unserem Erleben. Täglich regnete es mehrere Male, meist jedoch nur kurz. Oft stellten wir beim Verlassen von Gebäuden fest, daß der Regen kurz vorher geendet hatte, was natürlich angenehm war. Wenn dann, wie häufig, die Sonne herauskam, zückten wir deshalb sofort unsere Fotoapparate. So hatten wir dann doch eine ganz hübsche Ausbeute. Farben und Kontraste, die alten Gemäuer und das noch frische Grün boten im Sonnenlicht gute Motive.


Ein trotz Sonnenschein immer bedrohlich, häßlich und grau wirkender Gebäudeklumpen (der "Schwarze Sarg") ist das Museum der Okkupation Lettlands. Mir als Burschenschafter hat hier die konsequente, kompromißlose Gleichstellung von faschistischem und sowjetischem Terror besonders gut gefallen.

 "Wohin geht`s bitte zum Kommunismus ?" – diese aufschlußreiche Frage von Gesine Lötsch (Parteivorsitzende DIE LINKE am 3.1.2011) und die halbherzigen Abwiegelungen ihrer Parteifreunde auf den heftigen Aufschrei nicht-linker Publizisten und Politiker (u.a. in der "Jungen Freiheit"), fielen mir da gleich ein.

Im Gegensatz zum links-politischen Mainstream Deutschlands, der das Beschweigen kommunistischer Gräultaten duldet, kämpft Lettland in Allianz mit anderen, ehemals sowjetisch okkupierten Staaten für die Ächtung und Bestrafung von Verharmlosung und Verklärung der kommunistischen Verbrechen. Wenn man einen Blick auf die fast 100 Millionen im letzten Jahrhundert unter kommunistischer Herrschaft Ermordeten wirft, ist der Nachholbedarf in unserem Land bei der Vermittlung historisch gesicherter Fakten über kommunistische Verbrechen, offensichtlich. Das kleine Lettland zeigt uns den Weg: Edvin Snore ist Lette und hat mit Herzblut und Unterstützung der EU die Dokumentation "The Sovietstory", aus bislang vor der Öffentlichkeit verstecktem Filmmaterial zusammengestellt und kommentiert. Obwohl dieser Film unzählige Male weltweit auf internationalen Festivals und im TV gezeigt wurde, ist er erst seit Mitte 2012 in Deutschland auf DVD erhältlich. Er sollte jedoch Pflichtthema in unserem Geschichtsunterricht sein.

Kommunistische Symbole (wie Hammer und Sichel, Roter Stern oder die Hymne der Sowjetunion) sind in Ungarn (seit 1994), Lettland und Litauen (seit 2008), Polen (seit 2009), Moldawien (seit 2012) als verfassungsfeindlich verboten.


Eine weitere in Deutschland undenkbare politisch-konservative Aktion: mitten auf dem Boulevard, nur 100m vorm Freiheitsdenkmal ist eine mobile, großflächige Erinnerungstätte für die ca. 10.000 Abtreibungen junger lettischer Frauen in jedem Jahr, installiert. Neben aus Beton gegossenen Föten liegen Blumen und Schilder, die einzelne (Föten-) Schicksale erzählen, die zur Abtreibung führten. Die Kritik wendet sich gegen fehlende Aufklärung, die schwierige wirtschaftliche Situation alleinerziehender Mütter, die zur Abtreibung drängende Einflußnahme von Eltern und unreifen Partnern auf ungewollt Schwangere und bestätigt und beansprucht das universelle Lebensrecht Ungeborener. Keine Anti-Demonstrationen haßerfüllter "AktivistInnen", keine Beschädigungen und Diebstähle der Ausstellungsstücke.

Wenn man weiß, daß jedes Jahr anläßlich des "Marsches für das Leben" (zuletzt ca. 3000 Teilnehmer im September 2012)  bei schweren Auseinandersetzungen mit gewaltbereiten und gewalttolerierenden Linken und Grünen das Gegenmotto "1000 Kreuze in die Spree" oder auch „Gegen1000Kreuze“ lautet und diese sich jedes Jahr brüsten (dürfen) diese religiösen Symbole tatsächlich gestohlen und zerstört zu haben, dann kann man nur den Hut ziehen vor dem Klima echter politischer Toleranz in Lettland.


Das Freiheitsdenkmal scheint mit seiner zentralen Lage und die Stadt überragend, die tiefe Verwurzelung des Freiheitsgedankens in den Letten zu repräsentieren. Nur wenige Meter entfernt, quasi in seinem Schatten, liegt die Deutsche Botschaft.

Neben dem Freiheitsdenkmal gibt es einen übersichtlichen, gepflegten Park. Er folgt dem die Altstadt begrenzenden Stadtkanal auf dessen beiden Seiten.

Ein Tipp für Verliebte: in der Nähe des Denkmals gibt es eine kleine Brücke, auf der regelmäßig Trauungen durchgeführt werden. Im Gitter der Brücke befinden sich hunderte Vorhängeschlösser, die von Paaren angebracht wurden. Liebevolle Gravuren und Aufschriften erinnern auf z.T. sehr alten Schlössern an glückliche Tage. Schätze, daß es ganz gut ankommt im richtigen Moment im Angesicht seiner Liebsten ein präpariertes Vorhängeschloss (der Bügel darf nicht zu klein sein) aus der Tasche zu ziehen.

Empfehlenswert ist auch die etwa 1-stündige Rundfahrt mit einem der beiden kleinen historischen Motorschiffe (Stadtkanal – Fluß – Runde), die einige Meter entfernt starten.


Unser Hotel "Royal Square" liegt so zentral, wie überhaupt möglich, im Stadtkern. Freitag- und Sonnabendnacht wird in dieser Stadt allerdings ausgiebig gefeiert. Europäische Lärmschutzverordnungen scheinen noch nicht in Übersetzung vorzuliegen. Dazu kann man den Letten grundsätzlich nur gratulieren. Wenn aber gegen 4:00 morgens noch die allgegenwärtigen Fahrradrikschas mit laut aufgedrehten Bässen durch die Innenstadt kurven, platzt einem dann schon der Kragen. Zusätzlicher Hinweis: Vorm Besteigen der Rikschas immer nach dem Preis fragen.

Bei unserer Abfahrt schrieb ich emotionsvoll ins Gästebuch, daß ich mir wünschen würde, man würde diese Bande geteert und gefedert aus der Stadt jagen. Das musste sein.

Beim nächsten Mal werden wir von Anfang an mittels Leihwagen unseren Aktionsradius deutlich erweitern.  "Jurmala" – der Strand Rigas und das Aerodium in Sigulda sind schon fest eingeplant..

Und wie immer nehme ich mir vor, den nächsten Aufenthalt rechtzeitig und detaillierter zu planen ...



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